Kritisch reisen: Alptraum Alpen?, Alptraum Alpen?

Sendezeit: 23:25 - 00:10, 28.03.2024
Genre: Reportage
  • Untertitel für die Sendung verfügbar
  • Von: Marko Rösseler
Deutschland (2023) Die Alpen sind nicht nur im Winter ein beliebtes Urlaubsziel, sondern auch im Sommer ein Besuchermagnet. Man kommt zum Wandern und zum Mountainbiken oder für Selfies auf Aussichtsplattformen.
Vor allem der Tagestourismus hat zugenommen. Auf die Zugspitze, Deutschlands höchsten Berg und bestens erschlossen, kommen in Hochzeiten 7000 Touristen am Tag. Drei Seilbahnen führen hinauf, ihre modernen gläsernen Bergstationen erinnern an Kongresszentren.
Die hölzerne Schutzhütte, die früher einmal Bergsteigern nach dem mühsamen Aufstieg Unterkunft bot, ist heute ein Relikt aus vergangener Zeit. Hansjörg Barth, Pächter in dritter Generation, macht inzwischen vor allem mit Tagestouristen Umsatz, die bei ihm essen und trinken. "Davon kann man sehr, sehr gut leben", sagt er. Und doch macht die schiere Masse der Menschen ihm Angst: "Ich glaube manchmal, der Berg hält das nicht aus."
Doch immer größere Attraktionen sollen noch mehr Menschen in diese grandiose Landschaft locken. Am Dachstein in Österreich führt ein Pfad mit gläsernem Boden über einen klaffenden Abgrund, errichtet mit vielen Tonnen Stahl, endend in einer weit hinausragenden "Treppe ins Nichts". Ungezählte Selfies entstehen dort Tag für Tag.
War das Gebirge einst ein Abenteuer, die Gipfel erreichbar nur für die zähen Wanderer und Kletterer, ist es nun zum Freizeitpark für jedermann geworden: Die Gipfel mit Draht gesichert, wo sie aufgrund des Klimawandels bröckeln, damit sich niemand in Gefahr begeben muss und dennoch hoch hinaus gelangen kann. Die entlegensten Täler erreicht man mit dem Auto und kann sich von dort mit Seilbahnen auf Betonaussichtsplattformen auf die Gipfel fahren lassen. Und wer dennoch selbst hinaufklettert und nicht mehr hinunterkommt, ruft die Bergwacht und lässt sich abholen. Eine Vollkasko-Mentalität hat sich ausgebreitet, wo früher einmal andächtiges Staunen angesichts eines wilden Gebirges herrschte.
In Südtirol sind sie längst davon überzeugt: Es ist genug! Dort wird der Tourismus mit strengen Regeln belegt. Nur wenn Unterkünfte abgebaut werden, dürfen neue errichtet werden. Andererseits gibt es in den Alpen auch Dörfer, die nie vom Tourismus entdeckt wurden. Und die sterben, weil vor allem die Jungen abwandern. Tourismus bringt eben Jobs - fehlen die, gehen die Menschen.
Denn allein der Sommertourismus beschert den Alpenländern über 12,5 Milliarden Euro Umsatz alljährlich und ist die wichtigste Einnahmequelle. Zurück in die Zeiten der armen Almbauernhöfe kann und will niemand - aber gibt es Alternativen zu diesem jeden Winkel beanspruchenden Alpenboom?

Nutzer haben auch angesehen